Brauerei Schwechat: Ein Bier erobert die Welt

Logo der Brauerei Schwechat

Habt ihr schon einmal von Anton Dreher gehört? Nein? Dann geht es euch wahrscheinlich so wie den meisten Menschen. Sogar unter Biertrinkern ist der Name oft kein Begriff, obwohl er die Bierwelt nachhaltig verändert sowie geprägt hat. Anton Dreher senior ist nämlich der Erfinder des Lagerbiers, mit dem er ausgehend von der Brauerei Schwechat die Welt eroberte. Ich habe mich an den Ort der Erfindung begeben und die Brauerei an der Grenze zu Wien besichtigt. Folgt mir auf eine bierige Zeitreise in dieser Fotostory!

Dieser Artikel wurde zuletzt am 9. Juli 2019 aktualisiert.

Brauerei Schwechat

FAKTEN

Adresse: Mautner-Markhof-Straße 11, 2320 Schwechat
Anreise: Von Wien kommend mit der S-Bahn S7 oder dem Regionalzug bis zur Station Kaiserebersdorf, von dort fünf Minuten Fußmarsch
Führungen: Alle Infos zu einer Führung durch die Brauerei Schwechat gibt es auf der Webseite schwechater.at
Brauhaus: Die Schwechater Biersorten kann man im angeschlossenen Brauhaus verkosten

LKW der Brauerei Schwechat

„Ein Lager, bitte!“

Egal wo ihr auf der Welt auch seid, in einem Pub oder einer Kneipe könnt ihr mit dem deutschsprachigen Wort „Lager“ immer ein Bier bestellen. Dass der Ursprung dafür allerdings quasi vor meiner Haustür in Schwechat zu finden ist, hat mich als Wiener dann doch sehr überrascht. Die Erfolgsgeschichte geht auf das Können der Brauerdynastie Dreher im 19. Jahrhundert zurück. Ich habe im Rahmen einer Führung durch die Brauerei Schwechat nicht nur der mehr als faszinierenden Geschichte gelauscht, sondern auch die aktuelle Produktion des schmackhaften Gerstensafts begutachtet.

Schwechat als geschichtsträchtiger Ort

Die Ursprünge der Brauerei Schwechat gehen auf das Jahr 1632 zurück, damals noch als Klein-Schwechater Brauhaus bezeichnet. 1796 kaufte Franz Anton Dreher (1736–1820) das Brauhaus und zeigte schon in den ersten Jahren sein Können als Brauer. Richtig erfolgreich sollte es aber erst mit seinem Sohn Anton Dreher sen. (1810-1863) werden. Dieser lernte nach seiner Schulzeit Gabriel Sedlmayer kennen – Sohn des Besitzers des legendären Spatenbräus in München – und absolvierte erfolgreich die Ausbildung zum Brauer. Gemeinsam mit Sedlmayer reiste Dreher unter anderem nach England und gewann wichtige Erkenntnisse für die Zukunft. Als erster europäischer Brauer übernahm er das englische Mälzungsverfahren.

Von ober- zu untergärig

Zurück in Schwechat pachtete Dreher sen. zuerst das zwischenzeitlich heruntergekommene Brauhaus, bevor er es einige Jahre später kaufte. Er brachte den Betrieb wieder in Schwung und braute erfolgreich das obergärige, milde und süffige „Kaiser Bier“. Ein Problem ließ ihn aber kreativ werden: obergäriges Bier war zur damaligen Zeit nicht lange haltbar. Dreher begann deshalb 1839 mit ersten Experimenten zur schon seit Hunderten Jahren aus Bayern bekannten Untergärung. Obwohl es sich genau genommen um keine neue Erfindung handelte, war es doch Anton Dreher sen. vorbehalten, als erster Brauer weltweit die Bedeutung der Kühlung zu entdecken.

Wiener Lager aus der Brauerei Schwechat

Das Lagerbier wird erfolgreich

Ab 1841 wurde das einfach „Lager“ oder „Wiener Typ“ genannte Bier zum Renner und weit über Schwechat hinaus bekannt. Drehers Gründe für den Erfolg: er erkannte, dass das Bier bei einer Reifung unter kühlen Temperaturen um die 0 Grad Celcius klar, mild, süffig, haltbar und transportfähig wird. So konnte das im Winter gebraute Bier auch im Sommer ausgeschenkt werden. Für die Lagerung legte Dreher riesige Keller an und stapelte dort Tonnen an Eis. Schnell stieg die Nachfrage derart an, dass die Arbeit nicht mehr manuell erledigt werden konnte. Als erster Bierbrauer der Welt setzte Dreher deshalb eine Dampfmaschine ein – diese kann man heute im Technischen Museum in Wien besichtigen.

Anton Dreher jun. übernimmt

Es folgte der Kauf mehrerer Brauereien in der österreichisch-ungarischen Monarchie, um den Bedarf zu decken und das Monopol zu halten. Dazu gehörten eine Brauerei in Triest und eine in Budapest – diese beiden sind die einzigen Namensträger des Dreher-Biers, die auch heute noch existieren. Nach dem Tod von Anton Dreher sen. 1863 übernahm sein Sohn Anton Dreher jun. (1849-1921) die Brauerei Schwechat. Zu diesem Zeitpunkt im Jahr 1870 war sie schon die größte in der Monarchie. Das Unternehmen sollte aber unter Führung des Sohns noch weitaus erfolgreicher werden.

Das Ende der Dreher-Dynastie

Wegen eines eislosen Winters sah Dreher jun. die Notwendigkeit für eine Kältemaschine und ließ einen Prototypen erstmals in Triest einsetzen. Durch die nun dauerhaft mögliche künstliche Kühlung schossen die Absatzzahlen weiter in die Höhe. Die Weltausstellung 1878 in Paris sorgte endgültig für die weltweite Bekanntheit des Lagerbiers. Nach dem Tod von Dreher jun. 1921 sollte es nur noch fünf Jahre dauern, bis der letzte Nachkomme der Drehers, Oskar, mit nur zwölf Jahren starb und somit die Dreher-Dynastie ein Ende fand.

Die Brauerei Schwechat heute

1935 übernahm die Familie Mautner Markhof die Brauerei, seit 1978 ist das Unternehmen allerdings Teil der Brau Union (damals noch Brau AG), welche wiederum zum Heineken-Konzern gehört. Auf dem heutigen Brauereigelände – das nur unweit entfernte alte wurde 2011 abgerissen – werden mittlerweile die folgenden fünf Sorten Schwechater Bier gebraut: Lager, Zwickl, Zwicklbock (nur saisonal), Hopfenperle und das Original Wiener Lager. Bei letzterem handelt es sich um ein Jubiläumsbier zum 175-jährigen Bestehen des Wiener Lagers, das angelehnt an frühere Aufzeichnungen (das Originalrezept von Anton Dreher gilt als verschollen) von Braumeister Andreas Urban neu aufgelegt wurde. Mit den nachfolgenden Fotos nehme ich euch nun mit auf eine Führung durch das Brauereigelände und gebe euch weitere interessante Fakten.

Historischer Güterzug vor der Brauerei Schwechat
Vor dem Gelände der Brauerei Schwechat wird man von einem historischen Güterzug begrüsst
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Plakat von Anton Dreher sen. und vom Wiener Lager in der Brauerei Schwechat
An zwei Tanks erinnern riesige Plakate an die Errungenschaften von Anton Dreher sen. und seiner Familie
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Neues Sudhaus der Brauerei Schwechat von 2006
Das neue Sudhaus wurde 2006 in Betrieb genommen und versprüht leider bis auf das rote Logo wenig Charme
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Neues Sudhaus der Brauerei Schwechat
Auch innen ist alles zweckmäßig und topmodern gestaltet – historische, charmant anzusehende Sudkessel aus Kupfer gibt es in der Brauerei Schwechat schon lange nicht mehr
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Prozess des Einmaischens in der Brauerei Schwechat
Ein Blick in einen der Kessel zeigt den Prozess des Einmaischens – geschrotetes Malz wird dabei in frischem Wasser eingekocht
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Gär- und Lagerkeller in der Brauerei Schwechat
Im Gär- und Lagerkeller reift das Bier vor sich hin, bis es den perfekten Zustand erreicht
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Lagerkeller in der Brauerei Schwechat
Im Lagerkeller sind 24 Tanks mit einer gesamten Füllmenge von 32.400 hl verbaut, an der Oberfläche gibt es weitere 14 Tanks mit einer fast doppelt so großen Füllmenge von 70.000 hl.
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Gär- und Lagerkeller in der Brauerei Schwechat
Bei einem Rundgang durch den Gär- und Lagerkeller in der Brauerei Schwechat ist man schnell verwirrt, denn überall schlängeln sich die Rohre in- und durcheinander
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Anlieferung von Bier-Lkws in der Brauerei Schwechat
Ein interessanter Umstand: in der Brauerei Schwechat werden zahlreiche Biere anderer Brauereien mit Lkw angeliefert und in der hauseigenen Abfüllanlage in Dosen gefüllt
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Logistikhalle in der Brauerei Schwechat
Vor einer großen Logistikhalle warten die Lkw dann auf ihre abgefüllten Biere
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Museum in der Brauerei Schwechat
Es gibt in der Brauerei Schwechat zwar kein eigenständiges Museum, aber immerhin sind an einigen Stellen immer wieder historische Objekte ausgestellt
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Historische Flaschenabfüllanlage der Brauerei Schwechat
Sehr interessant ist beispielsweise diese historische Flaschenabfüllanlage der Brauerei Schwechat
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Alte Fässer der Brauerei Liesing in der Brauerei Schwechat
Alte Fässer der Brauerei Liesing, die wohl nach der Fusion mit der Österreichischen Brau-AG in Schwechat befüllt wurden
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Abfüllanlage der Brauerei Schwechat
Ein Blick in die Abfüllanlage der Brauerei Schwechat, in der fast ununterbrochen im Schichtbetrieb verschiedenste Biersorten abgefüllt werden
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Abfüllanlage der Brauerei Schwechat
In der Abfüllanlage der Brauerei Schwechat ist es naturgemäß wahnsinnig laut, aber absolut faszinierend, den Dosen beim Vorbeifahren zuzusehen
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Abfüllanlage der Brauerei Schwechat
Unvorstellbare 60.000 Dosen pro Stunde können in der Abfüllanlage befüllt werden – hier flitzen gerade die Dosen für die Marke Wieselburger vorbei
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FAZIT

Dass vor den Türen Wiens das weltweit bekannte Lagerbier erfunden wurde, war für mich eine überraschende und zugleich faszinierende Entdeckung. Während einer Führung durch die Brauerei Schwechat kann man sich wunderbar mit der Geschichte der Familie Dreher vertraut machen, die allen voran dank Anton Dreher sen. für den weltweiten Siegeszug des untergärigen Biers verantwortlich ist. Spannend ist ebenfalls die Gegenwart mit einem Rundgang durch die Produktionshallen, Lagerstätten und die Abfüllanlage. Wenn euch Geschichte interessiert und ihr ein gutes Bier probieren wollt, dann solltet ihr auch mal in der Brauerei Schwechat oder im Brauhaus vorbeischauen. Prost! 🙂

 

Brauerei Schwechat: Erfahrungsbericht zur Brauereiführung mit Details zur Geschichte (Erfindung des Lagerbiers durch Anton Dreher) und vielen Fotos.

3 Kommentare bei „Brauerei Schwechat: Ein Bier erobert die Welt“

  1. So ganz klar ist mir jetzt immer noch nicht, worin seine „Erfindung“ liegt. Dass es in Bayern schon längst untergäriges Bier gab, schreibst du ja selbst.
    Was hat er denn jetzt genau erfunden?

    1. Seine Erfindung war die Entdeckung der Kühlung in Bezug auf das untergärige Bier. Dadurch wurde es lagerfähig – daher dann auch der Name Lager. 🙂

      Liebe Grüße
      Christian

  2. […] hauptsächlich untergäriges Bier getrunken wurde (zum Thema Lagerbier siehe auch mein Blogbeitrag Brauerei Schwechat: Ein Bier erobert die Welt). Dieses musste in den kalten Monaten hergestellt werden und bei kühlen Temperaturen reifen. Um […]

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